ZWISCHENERINNERUNG

Der Dichter B., Mitglied der Akademie der Künste, reist in die Provinz, um seinen alternden Ruhm zur Schau zu stellen. Er will keine gute Vorstellung geben, er will daran erinnern, dass es ihn gibt. Das Publikum missversteht das als Kompetenz. Es sind die alten Spiele des Hochmuts, die hier gespielt werden. Der Dichter begreift nicht, dass es die Provinz, der gegenüber er die Zentrale vertritt, nicht mehr gibt. Er weiß einfach nicht, wo er sich befindet. Übrigens auch im banalsten Sinn: er hat den Ortsnamen vergessen. Er weiß nur: Provinz. Wer hier stirbt, der stirbt vergessen. Wer hier lebt, der ist schon gestorben. Er betrachtet sein Publikum als eine Ansammlung Verstorbener. Er will verschwinden, und zwar schleunigst, auch durch die Hintertür, wenn es sein muss. Sein Kollege F., Kommunikationsphilosoph, kennt das Problem. Er ist sich der Medienkanäle, in denen er existiert, wohl bewusst. Man darf sagen, er ist sich ihrer überdeutlich bewusst. Dieses Bewusstsein existiert in ihm doppelt: als Bewusstseins des Werts, so zu existieren, in der gelungenen Symbiose Autor-Verleger-Publikum, und als Bewusstsein des Unwerts, so zu existieren, weil zu viele so existieren. Die nivellierende Kraft der Auszeichnung als des Moments des Hervortretens, in dem die Bewegung des Beiseitetretens enthalten ist, spaltet ihn und veranlasst ihn, Schmähreden zu halten, an deren Ende das Bekenntnis steht: Etwas anderes weiß ich mir auch nicht. Die Apostel des Ich-Sinns sind von der Sinnlosigkeit der Veranstaltung, in der sie auftreten, überzeugt. Sie wissen von keiner anderen. In solchen Gestalten gibt sich der Wir-Sinn als verkappter Ich-Sinn zu erkennen – als Sinn mit Hintertür.