Die Verlage definieren ihr Aufgabenfeld neu oder sie werden zur Aufgabe gezwungen. Anders die Autoren, die sich von ihnen ins letzte Gefecht schicken lassen. Sie sehen schon heute alt aus. Die allzu geschmierte Maschinerie läuft leer, seit die Leser das Netz für sich entdeckt haben. Das gute Buch ist ein Geschenkartikel und ein Phantom, dem die Weichgläubigen eine Zeitlang hinterherlaufen, gerade so lange, bis sie mit gutem Gewissen sagen können: An mir liegt es nicht. An wem dann? Natürlich liegt es am Leser, dem niemand das Bücherlesen verwehrt. Er liest sie ja auch, er tut, was er kann, aber es reicht nicht.

Für die Autoren ist das elektronische Buch im Moment Zweitverwertung. Damit rechtfertigen sie es, damit können sie leben. In Wirklichkeit ist es ihre zweite Chance. Wenn das gedruckte Buch verkauft ist, verramscht, entsorgt, aus dem Blickfeld der Kundschaft verschwunden (in dem es vielleicht nie aufgetaucht ist), hält das elektronische Buch sich im Handel, in den Suchsystemen, in den Recherchen, in jenem ganzen Geben und Nehmen, jenem lichtvollen Mit- und Durcheinander, das Autorsein für sie bedeutet. Dennoch glauben sie steif und fest, das gedruckte Buch sei das wahre.

Das elektronische Buch ist Ersatz. Das ist seine Bestimmung. Es erinnert an etwas, das es vielleicht bald nicht mehr gibt - außer in Bereichen, in denen wenig literarischer Ruhm zu holen ist -, und es zeigt die Form, in der es überleben könnte. Lange haben Autoren darüber nachgedacht, was mit ihren elektronisch archivierten Werken geschieht, wenn die Disketten keine Information mehr enthalten, wenn die CDs nicht mehr funktionieren, und haben daran die obligate Angst des Schreibenden vor dem Nichts ausgebildet. Sie ist hinübergekrochen in die bange Frage, was geschieht, wenn der Strom aus ist und das Netz abgeschaltet wird. Der Fetischismus des gedruckten Buchs macht vergessen, dass das Buch ein System ist, dass das gedruckte Ding da zu Boden sinkt und zerfällt, wenn sein System zerfällt. Sie haben sich an etwas geklammert, das bereits zu zerfallen beginnt: vor ihren Augen, in ihren Händen. Schon schmecken sie den Moder der Bibliotheken, die ihnen gestern kraftvolle, hochfunktionale, alles überdauernde Maschinen dünkten, denen sie jede Lebensleistung fraglos anvertraut hätten. Das ist nun vorbei und sie fühlen sich elend.

Ein wenig erinnert das elektronische Buch an die Zukunft, ein wenig an die Vergangenheit. Das heißt, es ist ganz und gar Gegenwart. Für viele Bücher, die in der Vergangenheit geschrieben wurden, ist es die Endform, in der sie eine Zeitlang weiter überdauern können. Für andere Bücher, solche, die heute geschrieben werden, um morgen gelesen zu werden, ist es eine Rechtfertigung: sie transportieren das Buch in die mit Bildschirmen gepflasterte Zukunft. Sie konservieren das System Buch und konzentrieren den Zweifel daran in die jedermann zugängliche Frage, ob sich damit auch genug verdienen lässt. Die positive Antwort darauf, und nur sie, rechtfertigt das System. Fällt sie aus, zerfällt das System und das elektronische Buch ist das, was es technisch gesehen immer schon ist: eine Ausgabeform unter anderem für Texte, deren Prestige nicht länger dadurch bestimmt wird, dass es Bücher sind.