Mit dem üblichen Lesemüll zieht das elektronische Buch in die Köpfe der Lesenden ein, mit den Klassikern in die der Gebildeten, die es angenehm finden, den Reisekoffer nicht mit einem Lektürevorrat beschweren zu müssen, von dem das meiste am Ende doch ungelesen bleibt. Für die Wahrnehmung bleibt das Buch damit erhalten, es erfährt sogar eine Aufwertung, weil es sich, allen Vorhersagen zum Trotz, auf der Höhe der Zeit zeigt, gleichgültig, ob im open access oder im etwas betulicheren Abonnement, das die alten Leihbibliotheken auf den Stand der Technik bringt und dafür sorgt, dass die Verfügbarkeit neuer Titel nicht allzu eng an die Preis- und Sicherungspolitik der Verlage gekoppelt bleibt. Was ein Buch ist, wird dabei neu definiert bzw. den technischen Gegebenheiten angepasst, die den Mix der festgelegten und der variablen Elemente bestimmen. Höhere Funktionalität versus geringere Ausstattungsqualität: so etwa nimmt sich das neue Erscheinungsbild aus. Doch das ist eine Frage der Beschreibung. Rechnet man den Blocksatz, die optisch ausgewogene Seite, das individuelle Format und die in langer kultureller Übung optimierte Fertigkeit im Umgang mit Büchern zur Ausstattung, ergibt sich ein Bild, ein anderes, wenn man die multimedialen Möglichkeiten in den Blick nimmt.
Wie verändern sich dabei die Klassiker? Zunächst nicht sehr: Klassiker sind robust und kaum jemand weiß genau, in welcher medialen Gestalt sie erstmals das Licht der Welt erblickten. Die homogene Reihe der Bibliotheksbände täuscht. So gesehen, ist auch die digitale Revolution nur eine Welle im großen Rezeptionsgang der Literatur und die Literaturwissenschaften beeilen sich, jede winzige Veränderung im publikationstechnischen Repertoire als Medienrevolution zu verkaufen. Das ist natürlich Unfug, aber es dient der Homogenisierung des Blicks: das digitale Medium ist, so betrachtet, nicht mehr das Neue, sondern das Gegebene. Die Wahrnehmung der Abfolge früherer Medien verändert sich und verwandelt letztere in eine Art Vorlauf dieses Gegebenen, so dass ihre Gesamtheit als das Alte Testament der Mediengesellschaft figuriert, das von den Propagandisten des Neuen auf Präfigurationen hin abgesucht wird.