Das elektronische Buch ist ein Dateiformat, genauer, ein Textdatei-Format, das es erlaubt, den Text mit Hilfe eines geeigneten Programms und eines geeigneten Lesegeräts ›buchförmig‹ darzustellen. Es ist die Simulation eines Buches, die Herstellung der Anmutung, ein Buch in Händen zu halten oder wenigstens vor dem lesenden Auge zu haben. Es handelt sich um ein Angebot an alle Leser, für die das Buch das Maß aller – lesbaren – Dinge ist. Dieses Angebot wird angenommen, wie die Verkaufs‑ und Zugriffszahlen beweisen, es ›macht dem Buch Konkurrenz‹, und nicht zu knapp. Vor allem unterminiert es die ökonomische Basis, auf der ›herkömmliche Bücher‹ entstehen und schafft sich so seinen Erfolg, Leservotum hin, Leservotum her, weitgehend selbst. Die ästhetische Herausforderung, die von ihm ausgeht, ist gering. Was es bietet, ist Lesestoff. Es macht das Lesen bequem.
Das elektronische Buch ist ein Ausgabe-, kein Schreibformat. Geschrieben werden Bücher, geschrieben wird generell mit Hilfe von Textverarbeitungsprogrammen, die alle Arten von Operationen und Auszeichnungen bereitstellen, mit deren Hilfe der Schreiber einen Druck vorbereitet: vom Serienbrief über die Broschüre bis zum Buch. Das ›Ausgedruckte‹, dessen Herstellung den Schreibprozess abschließt, ist Produkt oder Stütze. Auch dieser Text schreibt sich angenehmer mit Hilfe eines Schreibprogramms als mit Hilfe eines Editors oder Satzprogramms. Nötig ist es nicht. Der einmal geschriebene, der einmal ›erfasste‹ Text lässt sich prinzipiell in jedem geeigneten Format darstellen und aus jedem Format in ein anderes überführen. Der erfasste Text ist, medientechnisch gesehen, Datei, sonst nichts. Das dem Leser dargebotene Buch, gleichgültig, ob gedruckt oder ebook, ist die Ausgabe einer Datei. Der Leser (wie vor ihm der Autor oder der Verlag) hat die Wahl zwischen unterschiedlichen Ausgabeformen, mehr nicht.
Der Übergang vom gesetzten zum ›digitalisierten‹ Buch ist bereits Geschichte, wenn die Auseinandersetzung über die Vor- und Nachteile des elektronischen Buchs in Gang kommt. Es handelt sich also um eine Gespensterdiskussion, deren Kern darin besteht, dass Menschen, die auf ›Kultur‹ achten, ein gedrucktes Ding aus Papier benützen möchten, um ihr Lese- und Repräsentationsbedürfnis zu befriedigen. Protokolliert man auf ihr wirkliches Leseverhalten, dann weiß man, dass auch sie den Übergang zum digitalen Medium längst vollzogen haben. Kultur und Alltag klaffen wie immer auseinander. Und wie immer bedient sich die Kultur der Illusion. Auch das unter den gegebenen Produktionsbedingungen entstandene gedruckte Buch ist eine Simulation: seine Matrix, seine Quellinstanz ist eine digitale Datei, kein Druckstock. Der Kultivierte, der vom Buch nicht lassen möchte, will als Leser von der Datei nichts wissen, die er als Autor mit größter Selbstverständlichkeit herstellt und die in den verschiedensten Medien zu konsumieren ihm keinerlei Schwierigkeit bereitet.