Kunstfertig sein ist die eine, unfertig sein die andere Schriftsteller-Stilisierung. Wenn Schreiben eine Fertigkeit ist, dann, so die einfache Anmutung, muss Schriftsteller wohl der Unfertige sein, jemand, dem die Allerwelts-Fähigkeit, einfache Sätze zu formulieren, nicht zu Gebote steht. Diese auf den ersten Blick paradoxe Figur schafft eine gewisse Entlastung. Jemand, dem das Schreiben schwer fällt, verdient in Ruhe gelassen zu werden, er bedarf, wie der klassische Suhrkamp-Autor der Sechziger, der Schonung, also einer dosierten Aufmerksamkeit, hinter der der Grundsatz steht: Es wird schon werden. Irgendwann wird so einer aufstehen, in den Kreis derer, die schon fertig sind, zurückkehren, vorweisen, was geschrieben steht, und wir, das wissen wir bereits jetzt, werden begeistert sein: Soviel Mühe muss belohnt werden. Die Pathologie des Schriftstellers, sein Leiden am Wort besitzt Stellvertreter-Qualität. Denn, um die Wahrheit zu sagen, jeder kennt das Problem: die Beklommenheit dessen, der schreiben muss, das Hadern mit dem, was ›dabei herauskommt‹, die Verlegenheit schaffende Überlegenheit des Geschriebenen über den Schreibenden, die Erleichterung darüber, mit dieser unbequemen Sache durch zu sein, sich für kurze Zeit von ihr abwenden zu dürfen. Wer in so einer Hölle freiwillig aushält, muss ein Heiliger sein. Nicht zu glauben, dass er es ganz freiwillig tut – jeder Heilige ist auch ein pathologischer Fall. Dass er es gern tut, nimmt man ihm nicht ganz ab, im Grunde will man ihn leiden sehen, will man zusehen, wie er leidet, und da man wenig mehr von ihm zu sehen bekommt als Texte, werden sie automatisch zum Leidensausdruck einer Gesellschaft, die ihre technologischen Fertigkeiten, auf die sie so stolz ist, auf den dafür vorgesehenen Kanälen verflucht oder zumindest als Werkzeuge des Unglücks denunziert. Leider sind diese Kanäle so mächtig geworden, dass der Schriftsteller darin nur noch als ein ganz kleines Licht erscheint, als Nebenprodukt einer Misere, angesichts derer man nun wirklich andere Sorgen hat. Es nützt ihm nichts, dass er sich selbst erniedrigt, wenn die Erhöhung ausbleibt.