Der Schriftsteller, heißt das, kommt nicht am Bedarf vorbei. Es geht ihm nicht viel anders als dem Intellektuellen, dieser ihm nah verwandten Figur. Die Bedarfsvielfalt verlangt von ihm berufliche Spezialisierung und Diversifizierung der Produkte: Gebrauchsliteratur. Das ist etwas anderes als der ›Brotberuf‹ der Klassiker, da man von ihm verlangt, ›einfach‹ das zu sein, was zu sein er behauptet: kreativ. Dass die Spannung, die sich da auftut, den Klassikern nicht ganz unbekannt war, zeigt der Fall des Dichters Heinrich von Kleist, dessen von den Schroffensteinern bis zum Zerbrochnen Krug ausgestellte Doppelmaxime lautet: Ich kann, wie ich will und Ich bin, der ihr wollt. Sie hat ihm, wie man weiß, im Leben ebenso wenig genützt wie seinen Protagonisten in der Dichtung. Mit Kleist kommt ein Schriftsteller-Typus in den Blick, der gern ›kreativ‹ sein möchte und seine Fertigkeit unter Beweis stellt, aber erfährt, dass niemand da ist, der ihm diesen Beweis abverlangt, oder, verzwickter, dass diejenigen, die ihm den Beweis abverlangten, nichts mehr davon wissen wollen, wenn er ihn endlich liefert. Sein gesellschaftlicher Platz ist bereits besetzt und es bedürfte anderer, sozialer Fertigkeiten, ihn zu erbeuten, Fertigkeiten, die er nicht besitzt oder, falls er sie besitzt, nur in bescheidenem Maße ausspielen kann, weil er mit artistischen Beweisen befasst ist, die über das Verlangte hinausgehen oder es nur am Rande streifen. Kreativ, heißt das, ist der Schriftsteller – oder dieser Schriftsteller-Typus, für den die Tradition den Begriff ›Dichter‹ bereithält – nur in geringem Maße. Eher könnte man ihn ›gehorsam‹ nennen, wenn das Wort nicht in anderen Zusammenhängen verbraucht wäre. Er ist weniger ein Vertreter der Schriftkultur, einer, den man gern zu Vorträgen einlädt, um sich am Glanz oder an der Traurigkeit seiner Sätze zu laben (was er nicht ablehnt, was er durchaus zu genießen versteht), als ein Mittel, eine Mittelsperson, der Ort einer Verwandlung, der Verwandlung von etwas in Sprache oder genauer: in eine Anordnung von Wörtern, auch von Sätzen, wenn es denn sein muss (es muss nicht immer sein, wie bekannt ist). Für den Dichter, der frei hat, zu sein, der ihr wollt, erfand die endlich ›klassisch‹ genannte Moderne die Bezeichnung ›Textingenieur‹, ein heute betulich wirkendes Wort, das allenfalls geeignet erscheint, ein Lächeln auf die Gesichter zu zaubern. Textingenieur ist jemand, der weiß, wie man Bücher – oder Gedichte – schreibt, die funktionieren. Er hat sich zwischen den Polen der Verwandlung entschieden – gegen das Etwas, für die Sprache, für die Sprachkultur, die in diesem, das heißt in jedem Fall eine Schriftkultur ist, es sei denn, er spricht seine Texte und maskiert damit seine Abhängigkeit vom geschriebenen, sprich: fixierten Wort. Der Textingenieur - oder einer seiner vielen Nachfolger - muss sich entscheiden: zwischen einer Sprachkultur, in der das geschriebene Wort kraft Konvention und Herkommen gilt, und einer, in der es kraft eines überlegenen Kalküls unweigerlich trifft. Da er gegen das Herkommen antritt, ist seine Entscheidung immer bereits gefallen.