Jenseits der Schriftkultur – ein guter Titel für eine Bestandsaufnahme all dessen, was sich – nun, jenseits der Schriftkultur artikuliert. Er existiert sogar. Sinnigerweise kommt das mehrbändige Werk, das ihn trägt, ohne alle nicht-schriftlichen Anleihen aus. Selbst mathematische Formeln sind darin nicht zu finden. Vorderhand reproduziert es die vertrauten Finalisierungsmuster, die der Schriftkultur seit Anbeginn eignen. Auch solche Bücher erfüllen ihren Zweck: sie heizen einem Publikum ein, dem ohnehin schon warm wurde und das die Aufforderung abzulegen jetzt gleichsam am eigenen Leib erfährt. Das meint, das Buch als Autorität zu gebrauchen und zu missbrauchen. Was hier Buch heißt, ist eine Form, das Lesen zu konditionieren, es leichter und schwerer zu machen, als die Sache es erfordert. Die Relativierung nicht der Schriftkultur, wohl aber des Buches hat diesen Spalt sichtbar gemacht, ihn in gewisser Weise erst geöffnet, ähnlich wie eine neue, technisch aufwendigere Fahrzeuggeneration die Mängel der Vorgängermodelle für Benutzer offenlegt. Auch Bücher werden benützt, sie organisieren das Lesen, wie schon gezeigt, auf eine bestimmte, weitgehend ausdifferenzierte Weise, die Varianten der Gliederung, Sequenzierung, Bebilderung etc. ein- und andere ausschließt. Die ersten ins Internet gesetzten Langtexte galten unter ernsteren, um sachgemäße Lektüre bemühten Benützern als wenig lesbar, als konzentrationsvernichtend, eine sinnlos oberflächliche Hüpferei des Auges befördernd und ästhetisch ›ungenießbar‹. Viele schlossen daraus rasch auf das bevorstehende Ende der ›Lesekultur‹, so wie das Wort ›Kultur‹ generell gern benützt wird, um Endzeitstimmung zu mobilisieren. Rechnet man den Anteil einer Kopfschmerz und Augenversagen bereitenden Monitor-Generation an solchen Urteilen heraus, dann bleiben drei Gesichtspunkte übrig: erstens die mangelnde Konditionierung des Publikums, ihr – noch – unangepasstes Leseverhalten am Bildschirm, zweitens die für das falsche Medium – das Buch – geschriebenen Texte, und drittens die völlig unzulängliche, mangelnder Erfahrung und unzureichender Software geschuldete Darstellung der Inhalte auf dem Bildschirm selbst.