Eine Kunst, über die man nichts weiter sagen kann als das, was sich immer über Kunst sagen lässt – ist eine solche Kunst interessant? Mäßig, wenn man bedenkt, dass sie wie jede andere menschliche Hervorbringung darauf wartet, interessantgeredet zu werden. Dieses Warten dringt, wenn nichts anderes, in sie ein, es imprägniert sie umso gründlicher, je umfassender gewartet wird. Das Warten, man macht sich da besser nichts vor, ist beidseitig: eine Kunst, die Mode werden soll, muss sich ins Gerede bringen. Interessant sein heißt, für eine Weile die immer vorhandene Erwartung stillen, bevor sie sich wieder vom Vorhandenen löst, weil sie mit ihm durch ist. Dieses Durchsein wiederum ist immer vorhanden. Es gibt keine Kunst, die es für die Gegenwärtigen dauerhaft storniert oder auch nur einen Moment lang aufhebt. Insofern ist jeder, der sich einer Lektüre verschreibt, ohnehin allein – eine Zeitlang dem entzogen, was geredet wird, weil das Bereden die Ungleichzeitigkeit, das Noch-nicht-ganz-und-doch-schon-Durchsein bereits enthält, es in gewisser Hinsicht organisiert. Eine kaleidoskopische Lektüre wäre, so gesehen, schlicht eine, die sich Zeit lässt, besser: eine, die sich Zeit gibt. Doch so zu reden enthält einen Widerspruch, der sich in jeder Art kontrollierten Sich-Verlierens findet. Wer sich verliert, hofft, sich wieder zu finden, er will, dies vor allem, keine Zeit verlieren, er will sie, im Gegenteil, besonders gut anlegen. Ist Kunst, die nichts als Kunst sein will, eine gute Anlageform?

Kaleidoskopische Kunst ist ›tautognomisch‹. Sie sagt nicht immer dasselbe, sie sagt es keineswegs auf immer dieselbe Weise, sie sagt ›es selbst‹. Was sie sagt, geht aus einer Erschütterung hervor, wobei es keinen Unterschied macht, ob sie stark oder schwach war. Die leiseste Erschütterung kann die stärksten Übergänge hervorbringen – erste Regel der Kaleidoskopie. ›Im Leben‹ mag die Erschütterung einen guten (oder bösen) Sinn haben, sie mag gewollt oder erzwungen, durch einen Zufall ausgelöst sein oder sich einer Katastrophe verdanken: das Kaleidoskop registriert nur den mechanischen Stoß und setzt ihn mechanisch um. Haben die Bilder, die dabei entstehen, deswegen keinen Sinn? Das zu behaupten wäre ein wenig voreilig, schließlich ›kommen‹ sie bei solchen Gelegenheiten ›hervor‹, beanspruchen also eine Art Realpräsenz aus gegebenem Anlass. Dieses Bild ist aus dem und dem Anlass entstanden – ein solcher Satz reklamiert eine hohe Erklärungsdichte, als könnte, wer nur wollte, aus dem gegebenen Anlass das ganze Bild erklären. Es will aber keiner und das ist gut so, denn es stellte sich schnell heraus, dass es nicht ginge. Dennoch bleibt die Rede plausibel. Sie unterstellt die Präsenz eines Ereignisses in zwei Räumen. Die Form, die sie dabei wählt, ist die der kausalen Verknüpfung: pingo ergo sum. Was das Schütteln und Geschütteltwerden und seine Wirkungen angeht, so hat sie damit nicht unrecht. Gegenüber der Kunst sind alle Kaleidoskopen. Vorausgesetzt, sie bleiben ihr gegenüber.