Wie konnte das geschehen? Man kann, was hier sichtbar wird, auch die Ubiquität der Literatur nennen, ihre Fähigkeit, an den unterschiedlichsten Brennpunkten aufzutauchen, um alsbald strafferen, stabileren, besser gerüsteten Mächten zu weichen und auf mysteriöse Weise zu verschwinden, ohne zu verschwinden. Das erklärt zwar nicht das Kellerloch, aber es erklärt die funktionale Instabilität, sprich Dyfunktionalität von Literatur. Wer ›Literatur‹ sagt, sagt nichts Besonderes, solange er nicht die verschiedenen Gruppen von literati benennt, die als ›Literaturschaffende‹ den Duden verunzieren. Diese Gruppen tauchen auf und verschwinden, ohne dass sie eine stabile Institution begründen oder repräsentieren. Die Institution ›Literatur‹ ist eine Bühnendekoration für Menschen, die entschlossen sind, vom Schreiben ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, oder sich ›schreibend einzumischen‹ – in welche Belange auch immer –, weil sie schreiben können. Dem Entschluss zu schreiben korrespondiert die Hoffnung – und die Angst –, es damit ›zu schaffen‹ oder ›nicht zu schaffen‹. Diese irre Hoffnung, diese irre Angst liegt ihrem ›Schaffen‹ von Publikation zu Publikation und damit ihrer Existenz zugrunde. Sie verbinden sie, indem es sie trennt. Aber eine Dekoration ist kein Theater. Deshalb muss man die mehr oder weniger sichtbaren, mehr oder weniger unsichtbaren Netze von Akteuren im Blick haben, wenn man begreifen will, wer wo zu welcher Zeit auftaucht, um ›Literatur zu machen‹. Die relativ hohe Stabilität des Unterhaltungssektors vernebelt diese fragilen Verhältnisse. Wenn die Literatur aufgefordert ist, sich für ›das Buch‹ zu schlagen, dann darf man davon ausgehen, dass die Verlage damit begonnen haben, ihr Geld auf andere Weise zu verdienen, und den Literaten die prekäre Unterhaltslage wohl bewusst ist, die für sie daraus entsteht. Die Frage ist also, ob in dieser Lage neue, auf Zeit überlebensfähige (!) Gruppen oder Gruppierungen von literati entstehen, oder ob die Gesetze des Marktes hier etwas seinem wohlverdienten Ende zuführen, das man am besten als ›auffälliges Begleitphänomen‹ des Buchdrucks während der ›Gutenberg-Ära‹ (oder wie die Ausdrücke lauten mögen) bezeichnen sollte.