Die Behauptung, dass es eine Sprache der Dinge gibt, mag Leute faszinieren, die zu Denkspielen neigen. Der gewöhnliche Fehler liegt darin, einen solchen Satz als ›subjektiv ehrlich‹ aufzugreifen, um seinen Wissens- oder Wahrheitsgehalt zum Gegenstand der Erörterung zu machen. Der Satz enthält aber eine Geste, die sich den Umstand zunutze macht, dass die Sprache der Dichtung einerseits als etwas sehr Spezielles gilt, andererseits als konkreter Untersuchungsstoff: Sprache. Die Sprache der Dinge (der Orte) wäre, in etwas anderer Beleuchtung, das Sprechen der Sprache oder eine Art Selbstbewegung der Sprache, in die immer etwas eingeht, von der immer etwas mitgerissen wird, was nicht Sprache ist – Nichtsprachliches. Mitgerissen in der dichterischen Bewegung ist aber nicht das Draußen, sondern der Schreibende. Es ist auch nicht die Bewegung des Schreibens, die ihn mitreißt, sondern eine, die sich der Kulturgebärde des Schreibens bedient, als Manifestation, als bezeugende Mitteilung, wie das Hissen einer Fahne auf einem entfernten Himalaya-Gipfel oder auf dem Mond. Die Art, wie sich der Schreibende bewegt, ist nicht so dicht, ist nicht so opak, dass sie ihm die Komik, die ihr anhaftet, ganz verbirgt. Die Komik liegt nicht allein im physischen Auftritt, sie umfasst die Gebärde des Niederschreibens in einer Vielzahl von Aspekten, darunter auch dem der Differenz des Geschriebenen und dessen, was da steht. Denn das, was da steht, ist nicht genau das, was da geschrieben wurde. Ebenso ist das, was da geschrieben wurde, nicht genau das, was da im Raum stand. Es gibt einen Rest, einen Erinnerungsrest im Schreibenden, der über das Geschriebene hinausweist, und der ist beträchtlich.

All dies besagt jene Geste, sie fächert es auf, sie stellt es aus, ohne zu seiner verbalen Artikulation unmittelbar beizutragen. Es ist ja nicht so, dass das dichterische Schreiben unterbestimmt bliebe, weil ihm mehr entginge als den landläufigen Schreiben. Es ist nur kein Aufschreiben, übrigens auch kein Spielen mit der Sprache, wenngleich das Ergebnis für den, der es in objektivierender, also unbeteiligter Weise untersucht, spielerische Züge aufweist. Die Spielmetapher mag einiges erklären, aber sie führt insgesamt weiter vom Gegenstand ab, als nötig wäre. Da dem Schreibenden selbst nur jener Erinnerungsrest zur Verfügung steht, um zu artikulieren, ›worum es damals ging‹, während ›damals‹ seine Fähigkeit zu artikulieren im wirklich Geschriebenen aufging, in gewisser Hinsicht ›kumulierte‹, erscheint Unbestimmtheit als sein bestimmender Zug. Das ist – und bleibt – eine perspektivische Täuschung, die auch nicht dadurch aus der Rede entfernt wird, dass der Nachkartende mit Hilfe theoretischer Prämissen aus Unbestimmtheit nachträglich Bestimmtheit erzeugt. »Ich war damals«: wer so schreibt, versucht sich an das Besondere jener Lage zu erinnern, aber er ersetzt die Lage des Schreibenden durch die eines Menschen, der eine ›normale‹, vielleicht extreme Lebenssituation durchlebt. Das ist weder falsch noch richtig. Es vernachlässigt und verdrängt ein Stückweit das Besondere der Schreibsituation durch die banale Vorstellung des Zur-Feder-Greifens, um sich auszudrücken, während in der Situation selbst auf dem Schreibenden der Druck lastet, das ›im Raum Stehende‹ exakt zu artikulieren, ohne dass er sich über seine Differenz zum Niedergeschriebenen und zum Schreiber selbst einen Moment lang im Irrtum befinden könnte.