Das Jahrhundert des Buches ist das lange neunzehnte Jahrhundert. Bücher wie die Kritik der reinen Vernunft, Die Entstehung der Arten oder Das Kapital sind nie zuvor geschrieben worden, übrigens auch nicht danach, wenn man von Freuds Traumdeutung vielleicht einmal absieht. Im Namen einiger dieser Bücher sind Kriege geführt worden. Kein Wunder, denn der Krieg ist ihnen inhärent: sie führen Krieg gegen die Ordnung der Welt, sei es im Geist des Subjekts, sei es im Geist der Biologie oder eines angenommenen ökonomischen Weltgesetzes. Im Schatten dieser kriegführenden Mächte verrichtet die Literatur ihren Dienst: als Avantgarde vorneweg im Getümmel, als Aufschreibedienst des die Opfer und Blessierten taxierenden Blicks hinterdrein. Sinnigerweise sind die bekanntesten Versuche, diese Art Buch im zwanzigsten Jahrhundert fortzuschreiben, Nietzsches Wille zur Macht und Benjamins Passagenwerk, Fiktion – im philologischen Sinn existiert das eine ebenso wenig wie das andere. Das zwanzigste Jahrhundert ist das Jahrhundert der Medien. Prousts A la recherche du temps perdu ist kein Buch mehr, sondern ein Mittelding zwischen Film und Vorlesung, Musils Mann ohne Eigenschaften eine Website ohne Netz und Computer. Der Ulysses ist, was immer man über ihn als Roman sagen kann, eine Buchparodie, ein Abgesang und ein Hohn auf die von ihm suggerierte Art der Kohärenz. Diese Werke, die auf kriegführende Mächte neuerer Art blicken, haben die Vormundschaft jener umstürzenden Bücher abgeschüttelt, sie finden ihre Aufgabe darin, den Glauben an sie mit Stumpf und Stiel auszurotten, ohne auf ältere Weltbeschreibungen zurückzufallen. Dass ihnen das nur in Maßen gelingt, liegt auf der Hand. Wer nach dem Eintritt in das Computerzeitalter den Glauben bekundet, die Welt sei ›irgendwie buchförmig‹ zu denken, muss mit Gelächter rechnen und tut gut daran, es wie der Romanschreiber Eco in seine performance von vornherein zu integrieren. Wer heute ein Buch schreibt, will etwas darstellen, darlegen, demonstrieren, das von vornherein außerhalb der sinnstiftenden Dimension des Buches liegt: er kann sich nicht darauf verlassen, dass eine ausgeschriebene Form einen Teil seiner Aufgabe für ihn übernimmt.