Spieltexte treiben ein selten unergründliches, meist allzu leicht durchschaubares Spiel mit dem Leser. Sie fordern ihn dazu auf, sich in die Lage eines kindlichen Erwachsenen zu versetzen, der er nicht ist und nicht sein kann, selbst wenn er es wollte. Es sind Anordnungen für Leser, die es nicht gibt, Simulationen für Simulanten. Das gilt auch dann, wenn das Spiel der Brechungen und optischen Positionierungen, der Tabellen und Wort- oder Buchstabenwolken durch digitale Verknüpfungstechniken angereichert und verfeinert wird, auch dann, wenn die Schrift selbst dynamisiert wird und filmische Qualität gewinnt. Spieltexte sind keine Lesespiele. Lesen ist in ihnen ein Vehikel, ein Spiel-Medium wie ein Würfel oder eine Münze. Man liest, wie man würfelt, man nimmt das Ergebnis zur Kenntnis, wie man nach dem Wurf die Augenzahl zur Kenntnis nimmt. Es ist etwas herausgekommen: man kann es besehen und mit dem Ergebnis zufrieden sein oder nicht. Solange es um nichts geht, solange selbst das Konkurrenzmotiv fehlt, bleibt es bei der selbstgenügsamen Freude am Zeitvertreib.

In Lesespielen ist das Lesen selbst das Spiel. Jedenfalls könnte man sie so verstehen. Um lesend zu spielen, ohne aus dem Lesen ein Spiel zu machen, bedarf es des Lesestoffs. Nur die Inhalte befreien den Leser von der leeren Aleatorik, der folgenlosen Geste des Lesens, das keines ist. Die Lektüre der Lesespiele ist wirkliche Lektüre, keine Simulation. Allerdings ist sie kein einfaches Lesen, sondern ein Lesen unter bestimmten Bedingungen, deren Ausformung wiederum in die Lektüre fällt. Extern formulierte Lektüreregeln à la ›Nach Einnahme der Position A wechsle zu C‹ verwandeln den Lese‑ in einen – autoritativen – Spieltext und laden dazu ein, die Regel zu verletzen, um zu sehen, was dann geschieht. Ein solcher Lesetext bleibt dabei, was er ist – ein linear lesbares Konstrukt, versehen mit Einladungen, die Linearität an bestimmten Stellen zu durchbrechen und so eine ›neue Leseerfahrung‹ zu vermitteln und ›zu sehen, was dabei herauskommt‹. Was soll schon herauskommen? Das Neue ist nicht neu, wenn es zum zweiten Mal geschieht. Lektüre hingegen ist immer zum zweiten und dritten Mal. Das erste Mal stiftet wenig mehr als eine äußerst flüchtige Bekanntschaft, dekoriert mit ein paar Informationen. Das wiederholte Lesen, das ernsthafte, das versunkene, das aufschließende Lesen kollidiert mit den Gebrauchsanweisungen und anzunehmenden Spielregeln und macht sie zu Makulatur.