Das Lesespiel, an sich betrachtet, ist ein allzu trübes oder allzu durchsichtiges Medium. Um zu funktionieren, muss es sich auf eine Praxis der Vermittlung verlassen, die bereits im Bewusstseins ›verankert‹ ist, bevor das Spiel beginnt. Man kann die mentalen Elemente dieser Praxis als Distanzorgane bezeichnen, als Quasi-Organe des Rezipierenden, in deren Mit-Spiel sich die Selbstdistanz des Spielers materialisiert. Etwas schematisch lassen sie sich sortieren in Organe der Ferne / Nähe zur Macht und Organe der Sichtbarkeit / Unsichtbarkeit der Macht. Bei Körner erscheinen sie zum einen als gelenkte Privatheit / privatisierte Macht, zum anderen als Konstruktion / Dekonstruktion von Öffentlichkeit als Spektakel. Auf der Handlungsebene geht es um vertraute Tätigkeitsmuster: Fernsehen, Kungeln, Simulieren und Manipulieren. Der Spieler beteiligt sich an diesen Tätigkeiten, ohne involviert zu sein, das Spiel ist nicht heißblütig, sondern kalt. Der Spieler registriert seine Beteiligung als Beteiligtsein: das stört ihn. Er kann darauf reagieren, etwa durch Spielabbruch, aber damit erreicht er nichts. Erträglich wird das Spiel dadurch, dass er die Akteure als ›verrückt‹ empfindet: Lachen hilft. Ihre Verrücktheit ist das, was in ihm zerrt.
Es zeugt vom Scharfblick des Autors, dass er seine Lesespiele in der Sphäre der Konsumtion ansiedelt. Das hat fürs erste nicht viel zu bedeuten, der symbolische Konsum ist eine Produktivkraft. Produktion und Konsumtion sind hier nicht wirklich zu trennen. Wer es dennoch macht, der erklärt die Verhältnisse, die so erzeugt werden, für parasitär. Sieht man von der politischen Aussage ab, so liegt das Parasitäre darin, dass die Verhältnisse als gegeben, als arbiträr und unumgänglich angenommen werden: als zu konsumierende Konsumtion. So verzehrt sich das Lesespiel im Leser, ohne bleibende Spuren zu hinterlassen, wenn man die Nachdenklichkeit, die von der Karambolage zurückbleibt, einmal beiseitelässt. Wirklichkeit als Konsumtion von Wirklichkeit entspricht einer Praxis, die an jeder Stelle als Simulation begriffen werden kann, ohne deshalb aufzuhören, Praxis zu sein. Diese Praxis, so ließe sich resignierend feststellen, ist weit verbreitet. In einem System, das jeden Veränderungswillen storniert, weil es sich als Praxis der Veränderung darstellt, schlägt ihre Stunde. Man darf wohl davon ausgehen, dass es sich beim Lesespiel um eine aktuelle Kunstform handelt.