›Die Welt ausschreiben‹ zu wollen ist eine ebenso unsinnige Tätigkeit wie die, sich oder, wie es vornehmer heißt, ›das Ich‹ auszuschreiben. Unsinnig deshalb, weil sie, neben allen anderen Schwierigkeiten, gegen unendlich geht und daher die Chance, zu Lebzeiten damit zu Rande zu kommen, gleich null ist. Und das ist wenig gesagt. Das meiste von dem, was da als zu Leistendes in den Blick genommen wird, ist immer schon geschehen oder es liegt jenseits der Linie, die das eigene Leben von dem der Kommenden trennt. Die Menschheit als ganze, käme sie einst zu Bewusstsein, sähe sich in keiner anderen Lage als das sich plagende Individuum, mit einem Unterschied: sie müsste die eigenen Anfänge ebenso wie ihr Ende absolut setzen (vorausgesetzt, man betrachtet das Projekt, die Welt auszuschreiben, als menschliches Unterfangen, das keinen zweiten Autor verträgt). Nach geltendem Sprachgebrauch wäre, was dabei herauskäme, ein Fragment – das Fragment, neben dem ein anderes wenig Chancen hätte zu bestehen. Es sei denn... Menschenwerk ist Stückwerk, das weiß doch jeder und dafür lässt sich bequem plädieren. Aber es verdirbt die Fragestellung. Unter der Vorgabe, dass immer ein Einzelner schreibt, bewegen sich die Aufgaben, Welt und Ich auszuschreiben, aufeinander zu, ihre Gegenstände durchdringen sich bis zur völligen Deckungsgleichheit, die erst im Tod erreicht wird oder erreichbar wäre, denn in dieser Region herrscht das Paradox und das Erreichbare fällt zurück auf den Nullpunkt, ins ganz und gar Unerreichbare. Autoren, die ins Fragment – oder ins ›Fragmentarische‹ – verliebt sind, weil es allein die Größe ihrer Aufgabe verbürgt, behaupten deshalb gern, Ausdrücke wie ›Welt‹ oder ›Ich‹ kämen ihnen ›brüchig‹, ›verdächtig‹ oder ganz und gar ›inakzeptabel‹ vor. Währenddessen machen sie munter und ohne begriffliches Klärungsbedürfnis weiter von ihnen Gebrauch. Das Brüchige, Verdächtige, Inakzeptable daran ist der Tod, der sie von ihrer großen Beschreibungsaufgabe entbindet und den sie mit ihrer Hilfe hinauszuschieben gedenken: nicht nur wäre es ganz und gar ungerecht, es wäre auch töricht und unverantwortlich, sie bei dieser verantwortungsvollen Arbeit zu unterbrechen, die doch einmal jemand angehen musste, auf dass sie irgendwann getan sei. Irgendwann – nicht gestern, nicht heute, nicht morgen, eher schon am St. Nimmerleinstag, an dem jeder einen tüchtigen Knuff einstecken muss. Aber bis dahin ist es noch weit.

drucken