Doch, unter uns gefragt, ist das Alphazet ein Scheinlexikon? Ein Scheinlexikon ist ein Lexikon zum Schein, es kommt so daher, als sei es ein Lexikon, aber es informiert nicht, jedenfalls nicht über die Gegenstände, über die informiert werden möchte, wer zum Lexikon greift. Worüber möchte so jemand informiert werden? Dieses oder jenes Wort kommt mir rätselhaft vor, ich verstehe es nicht, ich verstehe nicht, wovon der andere spricht, ich möchte wissen, wovon die Rede ist, also blättere ich im Lexikon, bis ich den passenden Eintrag gefunden habe: eine archaische Geste, die nicht ganz dam Stand der Technik entspricht. Also gut: ich gebe den Ausdruck am Rechner ein und erwarte, dass die Suchmaschine fündig wird. Ist das Netz ein Lexikon? Nicht unbedingt, aber es enthält Einträge, die mir weiterhelfen. Ob ein Online-Wörterbuch besser, rascher, zutreffender Auskunft erteilt als das ›ganze‹ Netz, also sein von Suchmaschinen erschlossener Teil, das hängt grosso modo von zwei Komponenten ab: von der Zahl und Qualität der Netzeinträge sowie der Fähigkeit der Suchmaschine, sie im gewünschten Zusammenhang sichtbar zu machen. Ein Scheinlexikon im Netz ist daher ein Widerspruch in sich, denn das Netz, was immer man noch darüber sagen kann, ist ein Scheinlexikon. Es bietet Informationen in Fülle, die nicht gefragt sind, die den Leser verwirren, hinters Licht führen, seine Zeit stehlen, ihn über- und unterfordern und, alles in allem, einen Irrgarten formen, aus dem nur der entschlossene oder redignierte Recherche-Abbruch herausführt. Die Welt ist von labyrinthischer Struktur. Wieso die Welt? Bleiben wir bei den Wörtern. Wie jede soziale Tätigkeit – und Informationsbeschaffung ist eine soziale Tätigkeit – setzt auch die Internet-Recherche gewisse Fertigkeiten voraus: die trainierte Fähigkeit sich zu informieren und die Versiertheit im Medium, die eine zielstrebige Suchbewegung erlaubt. Für einen, der die Suche beherrscht, ist das Netz eine höchst präzise Auskunftsinstanz. Für einen, der sich durch die Suche verführen lässt, wird es immer ein Ozean voller unbestimmter Reize bleiben. Angesichts der ungeheuren Fülle der Einträge verschwindet die Differenz zwischen Lexikon und Scheinlexikon: das Netz ist alles, was... nun, was... ein Leser von ihm erwartet. Ist das richtig? Nirgends können Erwartung und Fundstruktur so weit auseinanderfallen, nirgends kann eins dem anderen so weit entgegenkommen. Also? Das Netz ist alles, was von ihm erwartet werden kann. Das Netz ist das Schicksal der Recherche.

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